Eine Alternative für Deutschland und Europa
Euro: Dead Man Walking
Bleibt der Euro, stirbt Europa
A. Problem
A.1 Konstruktionsmängel des EURO und der EZB:
- Der Zusammenschluss von Staaten verschiedener politischer und wirtschaftspolitischer Kulturen (Auseinanderentwicklung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit und Fiskalpolitik); die daraus folgende Überschuldung einiger Länder erfordert eine Korrektur, die im Euro nur durch Defizitabbau und nicht durch eine Abwertung erreicht werden kann; erfolgt diese Anpassung nicht, kann das nur mit massiven Vermögensverschiebungen von den Gläubigerländern zu den Schuldnerländern erreicht werden, wenn man den Euro erhalten will.
- Die für die Euro-Staaten fehlende vertragliche Austrittsmöglichkeit und Ausschlussmöglichkeit hat die Finanzmärkte trotz der "no-bail-out"-Klausel zu der Annahme verleitet, das Ausfallrisiko für alle Euro-Staaten als ähnlich anzusehen und allen ähnliche Zinssätze anzubieten. Die an hohe Zinssätze (6% bis 14%) gewöhnten Südländer hat dies zu unmäßigen Kreditaufnahmen veranlasst. Diese Kreditaufnahmen flossen zu einem großen Teil in konsumtive Verwendung oder unrentable Projekte (Fehlleitung des Kapitals), weil das Renditekriterium wegen der geringen Zinssätze vernachlässigt wurde. Die Folge sind faule Kredite, Budgetdefizite und übermäßige Defizite in der Zahlungsbilanz
- Die EZB hat wegen der Stimmverhältnisse im EZB-Rat nicht die realistische Möglichkeit, die unbeschränkte Geldschöpfung der Euro-Staaten zu regulieren
- Verschärft wird dieses Ungleichgewicht durch das für den EZB-Rat eingeführte Rotationsverfahren, welches Deutschland periodisch jeglichen Einflusses auf dessen Entscheidungen beraubt.
- Die Stimmrechte in der EZB sind nicht gemäß der Wirtschaftskraft und Bevölkerungsanzahl (Eigenkapitalanteile an der EZB) jedes Mitgliedes verteilt worden. Das hat zur Folge, dass die überschuldeten und defizitären Länder mit der Summe ihrer Stimmrechte die EZB in einen Selbstbedienungsladen verwandelt haben.
- Die EZB wurde nicht in unumgehbarer Weise dazu verpflichtet, keine Staatsfinanzierung zu betreiben.
- Es wurde nicht vertraglich festgelegt, dass die TARGET2-Salden periodisch auszugleichen sind.
A.2 Bisherige Fehler der Euro“rettung“:
- Nicht der Euro wird gerettet, sondern die Investoren, die die Anleihen der Euro-Krisenländern oder Anteile an oder Anleihen von deren Banken gekauft haben.
- Es werden die Symptome behandelt (Zeit-Kauf-Politik) mit Maßnahmen, wie Liquiditätshilfen und Haftungsgemeinschaften (Bankenunion und gemeinsame Arbeitslosenversicherung), anstatt die Ursachen wie strukturbedingte mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, ausufernde Defizite, nicht tragfähige Verschuldung und die desolate Wirtschaftslage anzugehen.
- Liquiditätshilfen und Haftungsgemeinschaften bürden den Gläubigerländern massive Kosten und unmäßige Risiken auf; den Schuldnerländern wird gleichzeitig die Motivation genommen, notwendige Wirtschaftsreformen auf den Weg zu bringen.
- Die Absenkung des Eurokurses durch die Maßnahmen der EZB verschlechtern die „terms of trade“ für Deutschland / EU. Unsere Importe verteuern sich; für die Exporte bekommen wir weniger Geld. Wir exportieren zu viel und bekommen dafür nur - zum Teil wertlose - Geldforderungen.
B. Folgen der „Rettungs“aktivitäten und des „Weiter-so“
Der Euro ist - zumindest in seiner gegenwärtigen Form - nicht haltbar. Das ist, wenn man den Tunnelblick auf Europa und die Scheuklappen ablegt, unübersehbar.
Siehe z.B. Thomas Mayer, ehemaliger Chef-Volkswirt der Deutschen Bank (in einem Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 21.09.2014 auf Seite 32 (Geld & Mehr) in seinem Beitrag „Lernen von den Schotten): „Die vierte Lektion ist, dass der Euro als Staatsgeld nicht haltbar ist.“
Falls die Euro-Staaten vernünftig kooperieren, kann das zu einem „atmenden“ Euro führen, wie Hans-Werner SINN es vorschlägt. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich die Krisenländer freiwillig von den Futterkrippen der Liquiditätshilfen und (nachfolgenden) Vermögenstransfers der Gläubigerstaaten vertreiben lassen.
Wahrscheinlicher sind Austritte aus dem Euro oder seine gänzliche oder teilweise Auflösung oder eine Einführung von Parallelwährungen.
C. Was sollten die Ziele und Forderungen sein?
C.1 Ziele und Wertmaßstäbe in Sachen Euro
Der Euro kann und darf – jedenfalls in seiner gegenwärtigen Form – nicht weiter bestehen, weil:
· Der Euro und die„Rettungs“-Maßnahmen beschädigen die demokratische Kultur in Deutschland und anderen Euroländern,
weil gewaltige Vermögen aus Deutschland in die Südländer verschoben werden, ohne dass die deutsche Regierung oder der Bundestag das ausreichend kontrollieren, und weil den Bevölkerungen der Südländer gegen ihren Willen durch ihre eigenen Regierungen unerträgliche Lasten auferlegt werden, um deren Staatskonkurs in die Zukunft zu verschieben.
· Der Euro beschädigt das normale, gute Zusammenleben der Völker in den Eurostaaten und sät Hass und Misstrauen zwischen ihnen,
weil er die Krisenländer vor die beiden unmöglichen bzw. ungeliebten Alternativen stellt, aus dem Euro auszutreten oder durch Sparen ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen (Austeritätspolitik). Das wiederum stellt Deutschland vor die Alternative, aus dem Euro auszutreten oder den Südländern den für ihren Lebens- und Politikstil erforderlichen Finanzbedarf dauerhaft zur Verfügung zu stellen.
· Der Euro und die für ihn erforderlichen „Rettung“smaßnahmen sind eine unmoralische und unsoziale Angelegenheit,
weil trotz des den Bevölkerungen der Krisenländer auferlegten weitgehend nutzlosen Sparens nicht die Krisenländer gerettet werden, sondern die internationalen Investoren, denen es dadurch ermöglicht wird, ihren Bestand an minderwertigen Anleihen der Krisenländer direkt oder indirekt über EZB oder ESM beim Steuerzahler Deutschlands und der anderen Gläubigerstaaten abzuladen.
C.2 Hierzu zwei alternative Forderungspakete:
C.2.1 Die vernünftigste – weil grundlegendste und alle Probleme lösende – Forderung sollte sein, dass sich Deutschland aus dieser ganz Europa und insbesondere Deutschland schädigenden Euro-Konstruktion löst.
Dabei wäre es nicht sehr hilfreich, wenn die Krisenländer (Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich, Zypern, …) aus dem Euro austreten. Was bliebe dann noch vom Euro und den deutschen TARGET2-Guthaben?
Besser ist es, wenn sich Deutschland, aus dem Euro löst. Das kann trotz vertraglich fehlender Austrittsmöglichkeit durch Austritt wegen Wegfalls der ursprünglichen Geschäftsgrundlage geschehen. Das ist eine Aktion, die eine abrupte Änderung der Situation darstellt und die sicherlich wirtschaftlich unnötig abrupte Anpassungsprozesse und europapolitisch unnötig heftige Reaktionen nach sich ziehen würde.
Deshalb ist es besser, dass die Abwendung Deutschlands oder mehrerer Länder vom Euro nicht abrupt erfolgt, sondern durch Einführung einer in der Wissenschaft in verschiedener Ausgestaltung diskutierten Parallelwährung gleitend erfolgt, so dass es anlässlich der Umstellung nicht zu konjunkturellen oder strukturellen Anpassungsschocks kommt.
Dazu sollten Deutschland und eventuell einige andere Länder Parallelwährungen einrichten, die ihnen die größte geldpolitische Unabhängigkeit gewähren und den verbleibenden Euroländern eine gemeinsame Währung erhalten würde, die sie nach Belieben mit Liquidität und Verschuldung fluten und inflationieren könnten.
Ideal wäre, dass sich Deutschland und Frankreich gemeinsam zu diesem Schritt entschließen und jeder seine eigene Währung wieder einführt. Das würde politischen Konflikten die Grundlage entziehen.
C.2.2 Falls Deutschland es für wichtig hält, zu versuchen, den Euro in irgendeiner Form auch für Deutschland zu erhalten, dann ist es erforderlich, die folgenden drei kurz- und drei mittelfristig umzusetzenden Forderungen durchzusetzen:
C.2.2.1 Die erste kurzfristig umzusetzende Forderung besteht darin, zwei Tatsachen anzuerkennen und die Konsequenzen daraus zu ziehen:
Erste anzuerkennende Tatsache: die heillose Überschuldung der meisten Euro-Staaten und Banken mit dynamisch wachsenden Schulden
Zweite anzuerkennende Tatsache: trotz oder eher wegen aller „Rettungs“maßnahmen verschlimmern sich Arbeitslosigkeit und Schuldenlast immer mehr.
Logische Folgerung daraus:
a) Schuldenerleichterungen: Die Krisenländer und deren Banken benötigen im Zuge einer Schuldenkonferenz an Bedingungen geknüpfte Erleichterung bezüglich ihrer Schulden, weil sie diese Schulden nachhaltig nicht tragen können.
b) Dringlichkeit: Dies muss sofort geschehen, damit die Kosten dafür nicht immer weiter anwachsen, weil sich private Investoren zwischenzeitlich aus dem Staub machen und die Anschlussfinanzierungen auf die Europäische Zentralbank und damit hauptsächlich auf den deutschen Steuerzahler abwälzen.
Und was kostet uns eine Schuldenkonferenz? Nichts, weil wir nur auf etwas verzichten, was die Krisenländer und deren Banken sowieso nicht leisten können und was sowieso für uns verloren ist.
C.2.2.2 Die zweite kurzfristig umzusetzende Forderung:
Die schlimmsten Krisenländer müssen aus dem Euro austreten und
ihr eigenes Haus bestellen.
Damit die Ergebnisse einer Schuldenkonferenz zu einer Verbesserung der finanziellen und wirtschaftlichen Situation der Krisenländer führen, müssen die Krisenländer zum Einen ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Austritt aus dem Euro und entsprechende Abwertung wiederherstellen.
Damit die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig wird, müssen sie zum Anderen die erforderlichen Strukturreformen durchführen, die garantieren, dass es nicht zu einer erneuten exzessiven Staats- und Bankenverschuldung kommt.
C.2.2.3 Die dritte kurzfristig umzusetzende Forderung:
Die Krisenländer dürfen zur Bestellung ihres eigenen Hauses nicht auf den Einsatz sozialverträglicher Bordmittel verzichten.
Manche Krisenländer haben im Durchschnitt entschieden reichere Haushalte als Deutschland und überdurchschnittlich viele superreiche Bürger. Diese Länder könnten die Steuerhinterziehung bekämpfen, diesen Bürgern eine substantielle Vermögensabgabe auferlegen und Eigentum der öffentlichen Hand verkaufen.
C.3 Die drei mittelfristig umzusetzenden Forderungen:
- Reform der Europäischen Zentralbank
- Feste Regeln für den Ein- und Austritt aus der Eurozone schaffen und
- Konkursordnung für Eurostaaten schaffen
C.3.1 Erste mittelfristige Forderung: Reform der Europäischen Zentralbank
Damit keine neuen Kreditblasen entstehen, sind zumindest folgende Reparaturen am EZB-System erforderlich:
- Stimmregeln des Rates ändern
- Keine Staatsfinanzierung (durch Aufkauf von Anleihen) betreiben (nicht „lender of last resort“ sein) und
- Zugang zur nationalen „Druckerpresse“ erschweren und TARGET2-Salden regelmäßig ausgleichen
C.3.1.1 Stimmregeln des Rates an der Größe der Länder ausrichten
Die Stimmgewichte der einzelnen Länder im EZB-Rat müssen den Kapitalanteilen der Länder an der EZB entsprechen.
Die Abstimmungsregeln im EZB-Rat müssen geändert werden:
Es kann nicht angehen, dass Kreditvergaben der EZB, z. B. bei den ELA-Krediten, mit einem Drittel der Stimmen beschlossen werden können. Hier ist zumindest eine Mehrheit der Stimmanteile erforderlich.
C.3.1.2 Die EZB vertragstreu machen: Keine Staatsfinanzierung durch die EZB als „lender of last resort“
Aufgabe der EZB ist die Geldpolitik und eine durchschnittliche Inflationsrate des Euro-Raumes von 2% anzustreben, ohne eine Finanzierung von Staaten zu betreiben, und weiter nichts.
C.3.1.3 Den Eurostaaten die Möglichkeit nehmen, unbegrenzt Euro zu erzeugen
Den Eurostaaten muss die Möglichkeit genommen werden, sich von der Gemeinschaftswährung Euro unbegrenzte Mengen zu erzeugen, um damit Schulden zu tilgen anstatt auf dem Kapitalmarkt für Anschlussfinanzierungen zu sorgen.
Inwiefern wird die Motivation der Krisenländer sonst dabei beschädigt?
Wenn ein Land über seine Verhältnisse lebt, seine Wettbewerbsfähigkeit leidet und die Schulden wachsen, dann wird normalerweise das somit gestiegene Länderrisiko vom Kapitalmarkt vernünftigerweise mit höheren Zinsen für die Anleihen dieses Staates bewertet, was dieses Land ebenso vernünftigerweise zu gewissen Strukturreformen veranlasst, da es sonst die gestiegenen Zinslasten nicht mehr tragen kann.
Wenn jedoch dieses Land sich von der Gemeinschaftswährung Euro unbegrenzte Beträge für eigene Zwecke zu minimalen Zinsen schaffen kann, entfällt der auf Gesundung hinwirkende Druck des Kapitalmarktes auf dieses Land.
C.3.1.4 Die TARGET2-Salden müssen regelmäßig hart und unpolitisch ausgeglichen werden.
Das einzige Mittel zum Ausgleich der TARGET2-Salden, welches politisch nicht manipuliert werden kann, ist GOLD.
C.3.2 Zweite mittelfristige Forderung:
Feste Regeln für den Ein- und Austritt aus der Eurozone schaffen.
Die atmende Eurozone.
Was wir unbedingt brauchen, sind feste Regeln dafür, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen ein Land aus dem Euro austreten kann oder muss.
Warum das?
Siehe Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut aus seinem Buch „Gefangen im Euro“: „Der Ausschluss von Austritten erzeugt zu viel Vertrauen für die Kapitalmärkte, weil er die regeltreuen Länder zwingt, für die Schulden derjenigen Länder aufzukommen, die über ihre Verhältnisse leben. Mehr noch: die fehlenden Regeln für einen geordneten Austritt, die im Zweifel Chaos erwarten lassen, wenn ein Staat austritt, sind der Hauptgrund dafür, dass sich der Euro zu einem Gefängnis entwickelt hat. In diesem Gefängnis leiden die südlichen Länder unter einem fast unlösbaren Wettbewerbsproblem, und die nördlichen Länder kämpfen darum, nicht im Sog einer Haftungsspirale unterzugehen.“
C.3.3 Dritte mittelfristige Forderung: Eine Konkursordnung für die Eurostaaten
Wir brauchen eine Konkursordnung sowie die glaubhafte Umsetzung der No-Bail-Out Klausel für die Eurostaaten, um im Falle eines Konkurses Chaos zu verhindern.
Eine solche Konkursordnung verdeutlicht vor allen Dingen den Investoren, dass sie ihre Zinsforderungen am Ausfallrisiko des betreffenden Landes ausrichten müssen.
Die Investoren werden dann bei erkennbarem Missmanagement des Landes ihre Zinsen erhöhen und das Land “motivieren”, die erforderlichenReformen durchzuführen oder schlussendlich aus dem Euro auszutreten und eine entsprechende Abwertung ihrer nationalen Währung durchzuführen.
D. Politische Falsch-Darstellungen in Sachen Euro-Problematik
D.1 Angela Merkel: Wenn der Euro stirbt, stirbt Europa.
Es ist anders herum: Wenn der Euro bleibt, stirbt Europa,
Aufgrund der Konstruktionsfehler des Euro und der EZB entsteht Hass und Missgunst unter den Euro-Mitgliedern. Einerseits können die Krisenländer die Wettbewerbsverzerrungen nur durch Strukturreformen und nicht durch Abwertung beseitigen, was in deren Augen einem Angriff auf deren Lebensstil gleichkommt. Andererseits können die Gläubigerstaaten nicht einsehen, warum sie den Lebensstil der Krisenländer mit dauerhaften und riesigen Vermögensverschiebungen alimentieren sollen.
D.2 Deutschland hat am meisten vom Euro profitiert.
Es ist anders herum: Deutschland hat durch den Euro große Vermögens- und Wachstumsverluste erlitten. Das deutsche BIP pro Kopf fiel von 1995 bis 2007 von Rang 3 auf Rang 10 aller OECD-Länder. Die unnatürlich niedrigen Zinsen in den Euro-Südländern haben überdies zu einem Kapitalexport in eben diese Länder zu Lasten notwendiger Zukunftsinvestitionen in Deutschland geführt.
D.3 Deutschland sollte sich solidarisch verhalten.
Für grenzenlose und bedingungslose Solidarität gibt es keinen Grund, denn die anderen Euro-Mitglieder kennen seit eh und je nichts als ihr eigenes nationales Interesse.
D.4 Deutschland sollte sich im Interesse der europäischen Einigung solidarisch verhalten.
Bisher ist mit „solidarisch“ immer nur gemeint, dass die Gläubigerländer für die anderen Mitglieder im Rahmen einer „Zeit-Kauf-Politik“ nahezu unbegrenzte Haftungen und Finanzierungen bereit stellen, während die anderen Mitglieder sich nur über den scheinbar nachlassenden Reformdruck freuen; diese Form der „Solidarität“ ist kontraproduktiv und führt zu massiver Vermögensvernichtung. Obendrein sind alle etwa vertraglich festgelegten Reformverpflichtungen der Krisenländer nichts wert, weil es weder ein Problem war noch sein wird, Gründe für die Nicht-Einhaltung dieser Verpflichtungen zu finden.
D.5 Die EZB hat mit ihren Geldflutungs-Programmen die Krise schon fast im Griff
Das Gegenteil ist richtig: Es wird alles nur schlimmer, weil Griechenland, Italien und Frankreich auch ohne nennenswerte Strukturreformen weitermachen können, wie bisher, und weil die Verschuldung weiter steigt, der Wirtschaft damit nicht geholfen wird, die EZB sich vertragsbrüchig verhält und sich zu einer Bad Bank wandelt.
E Was kostet es, wenn Deutschland den Euro verlässt oder er aufgelöst wird?
Es wird behauptet, das sei zu teuer für Deutschland. Dann würde der Export einbrechen und die Arbeitslosigkeit steigen. Die Krisenländer könnten dann ihre Schulden nicht mehr bedienen und Deutschland würde deswegen entsprechende Verluste erleiden.
Wahr ist jedoch, ein Euro-Austritt Deutschlands oder die Einführung einer Parallelwährung ist unvergleichlich günstiger als ein Verbleib im Euro.
Es stimmt zwar, dass es bei einem Austritt Deutschlands zunächst zu Exporteinbußen kommt. Die deutsche Währung würde gegenüber dem US$ um vielleicht 10% bis 20% aufwerten. Die Euro-Krisenländer würden gegenüber dem US$ um vielleicht 15 bis 25% abwerten, um zu Deutschland einen Abstand von etwa 30 bis 45% herzustellen.
Wenn die deutschen Exporteure ihre kalkulierten Gewinnmargen unverändert ließen, würde das für deren Kunden im Ausland jedoch keineswegs einer den Währungskurs-Veränderungen entsprechende Verteuerung bedeuten, da in den deutschen Exportprodukten ein großer Anteil importierter Vorprodukte enthalten ist, die Deutschland dann billiger importieren kann.
Dass der Export in Euro-Krisenstaaten zurückgeht, die uns wegen Überschuldung teilweise sowieso nicht bezahlen können, ist übrigens nicht von Nachteil. Obendrein ist der Exportrückgang und die etwas erhöhte Arbeitslosigkeit ein vorübergehendes Problem, welches sich in 3 bis 5 Jahren durch Strukturanpassungen auflöst und dem Export z. T. ohne Gegenleistungen ein Ende setzt.
Wahr ist auch, dass die periodischen Aufwertungen während der DM-Zeit die deutschen Exportunternehmen wirksam gezwungen haben, durch Innovationen und Rationalisierungen ihre Position auf ihren Exportmärkten zu verteidigen. Da der Euro diesen Aufwertungseffekt hat verschwinden lassen, ist bei manchem deutschen Exportunternehmen zu befürchten, dass sich ein bequemer Einschlafeffekt zu Lasten seiner künftigen Wettbewerbsfähigkeit einstellen könnte.
Wahr ist auch, dass durch die billigeren Importe die Inflation in Deutschland bekämpft wird.
Wahr ist auch, dass Deutschland die Süd-Länder nicht mehr dauerhaft mit jährlichen Vermögensübertragungen im zwei- bis dreistelligen Milliardenbereich und mit unübersehbaren Risikoübernahmen alimentieren muss.
Wahr ist auch, dass Deutschland dann sein Zinsniveau den eigenen Erfordernissen entsprechend setzen kann und somit sich das Sparen für die Altersvorsorge wieder lohnt und die Verschwendung von Volksvermögen durch die Realisierung unrentabler Projekte entschieden verringert wird.
Wahr ist auch, dass Deutschland sich wohl an einer Schuldenkonferenz beteiligen muss; dies jedoch nicht wegen des Austrittes aus dem Euro, sondern wegen der desolaten Folgen des Euro und der „Rettungs“politik. Also sind dies keine Kosten des Austrittes aus dem Euro oder seiner Auflösung.Wahr ist auch, dass die Krisenländer dann durch eine Abwertung statt durch Sparen ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen können, so dass sie dann entscheiden können, ob sie ihren Wirtschaftsstil beibehalten und periodisch abwerten, oder ob sie die gewonnene Zeit doch zu einigen Strukturreformen nutzen wollen.
Und schlussendlich ist es so, dass Deutschland durch Einführung einer Parallelwährung einen Ausstieg gleitend gestalten kann und somit abrupte Anpassungsprobleme als auch abrupte politische Verwerfungen in der EU vermeiden kann.
Es ist realistisch, davon auszugehen, dass die oben genannten sechs wichtigsten Forderungen in der Eurozone NICHT durchsetzbar sind. Das mindert den Wert dieser Forderungen nicht, denn sie sind und bleiben richtig. Und, wenn Deutschland diese Forderungen vertritt, demonstriert es ein seriöses Verhalten, um dem Euro noch eine Chance zu geben. Die deutsche Doppelstrategie dabei ist, dass sich Deutschland aus dem Euro verabschiedet, falls die anderen Euroländer eine vernünftige Regelung verhindern, die gewährleistet, dass jedes Land seinen Politik- und Lebensstil selbst finanziert.
Es ist notwendig, dass Deutschland auf die anderen Euroländer maximalen Druck ausübt, indem es alle weiteren Maßnahmen, wie Liquiditätshilfen, Haftungsgemeinschaften, Bankenunion, gemeinsame Arbeitslosenversicherung und Vermögenstransfers so lange blockiert, bis eine für Deutschland akzeptable Lösung gefunden ist. Dazu wird man im Hinblick auf die Euro-Verträge und das Verhalten der EZB auch den „Wegfall der Vertragsgrundlage“ in die Diskussion einführen müssen.
F. Ausblick: Europa auf Sicht von 30 Jahren
Im Übrigen kann eine europäische Einigung nur eine europäische Einigung sein. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei würde eine europäische Einigung unmöglich machen, weil sie nicht mehr europäisch wäre. Die völlige Einbeziehung des Nachfolgers des Osmanischen Reiches würde die europäische Identität konterkarieren. Frau Merkel hat recht: ein privilegiertes Verhältnis der Türkei zur EU ist hier angesagt, wenn auf Sicht der nächsten 30 Jahre die europäische Einigung entscheidende Fortschritte machen soll.
Heute wird vielfach aus guten Gründen eine weitere Vertiefung der EU als Gefahr für die demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und kulturelle Selbstbestimmung der Bürger der EU-Staaten gesehen.
Diese Gründe müssen aber nicht unbedingt auf ewig bestehen bleiben.
Falls es in Zukunft gelingen sollte, die EU-Administration, die EU-Kommission und das EU-Parlament durch Überzeugung, strikte neue Bestimmungen und erheblichen Rückbau und Neuordnung der aufgeblähten Strukturen dahin zu bringen, dass das die Beachtung des streng definierte Prinzips der Subsidiarität gewährleistet ist, dann und nur dann würde es der EU-Gemeinschaft gut tun, sich vorsichtig in Richtung einer EU der Vaterländer weiter zu entwickeln. Dafür bietet sich beispielsweise die Außenpolitik an.
Das Prinzip der Subsidiarität in Bezug auf föderal gegliederte Staaten oder Staatengemeinschaften muss dann so streng definiert werden, dass Kompetenzen dann – und nur dann – auf einer bestimmten Entscheidungsebene angesiedelt werden dürfen, wenn sichergestellt ist, dass untere Ebenen mit der Kompetenzausübung überfordert sind.
Dadurch können
a) die Präferenzen der Bürger besser wahrgenommen werden, ist
b) eine Kontrolle der Entscheidungsberechtigen durch die betroffenen Bürger einfacher und kostengünstiger gestaltet werden, und es kann
c) effektiver aus Fehlern gelernt werden, da mehr parallel experimentiert wird.
Das würde schlussendlich auch der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips dienen, nämlich der Forderung nach kostengünstigster Bereitstellung kollektiver Güter.